Sonntag, 27. Februar 2011

Hunde-Freundschaft


Im Kiran hat es sehr viele Hunde. Sie laufen frei rum und werden mit Essensresten versorgt (natürlich alles vegetarisch). Finian und Linus finden das Leben hier mit Hunden wunderbar!


Als wir im Kiran ankamen, wurden ein paar Tage vorher fünf Hündchen geboren. Sie hatten noch geschlossene Augen und lagen draussen ganz eng bei der Mutter. Nach vier Wochen springen sie nun munter herum und lassen sich von Finian und Linus auf den Arm nehmen. Vor allem Linus kann sich stundenlang mit ihnen beschäftigen.


Linus hat eine Freundin gefunden


Sie heisst Sonam und ist mit Linus morgens in der Nursery. Linus sitzt immer neben ihr. Da sie einen Kopf kleiner ist als er, hebt er sie oft auf und trägt sie rum. Beim Spielen wird fast nur noch Sonam berücksichtigt.

Samstag, 26. Februar 2011

Unser Tagesablauf im Kiran

Ich stehe jeden Morgen um 7.00 Uhr auf und wasche mich mit kalten Wasser, da der Boiler leider nicht funktioniert. Wenn möglich wasche ich noch die schmutzigen Kleider (von Hand) und hänge sie draussen auf. So bin ich sicher, dass die Kleider am Abend trocken sind.
Um 7.30 Uhr wecke ich die Kinder und mache Frühstück. Es gibt Corn-Flakes mit frischer Kiran-Kuh-Milch, Kiran-Brot mit Butter und Konfitüre und manchmal ein Ei oder Joghurt. Da man im Kiran ausser Milch, Brot und Guetzli nichts kaufen kann, bestelle ich alles, was wir brauchen, bei Hiralal (der Kiran-Drucker und ein guter Freund von mir). Er kauft für uns in der Stadt ein und bringt uns alles ins Kiran. So können wir auch Gemüse, Eier oder mal eine Flasche Coca-Cola bestellen!
Um 9.00 Uhr treffen sich alle Kinder und Angestellten in der grossen Halle, um zu singen und zu beten. Dann gehen die Kinder in ihre Klassen oder in die Therapie und bekommen dort zuerst einmal einen halben Apfel oder einen Becher Milch, Sojasprossen oder manchmal auch ein Ei. So wird garantiert, dass alle Kinder etwas im Magen haben und bereit sind für die Schule.
Finian geht nun selbständig in die 1. Klasse. Im Laufe des Morgens sehe ich immer wieder mal bei ihm rein. Ansonsten bin ich am Morgen mit Linus in der Nursery. Da eine Lehrerin in einer Ausbildung ist, bin ich für eine Lektion verantwortlich. Ich versuche so viel wie möglich mit den Kindern zu spielen oder raus zu gehen. Da die anderen Stunden Lernziele in Hindi, Englisch und Zahlenschreiben haben, ist das für die Kinder eine willkommene Abwechslung. Für Linus ist das Kiran-Leben recht hart. Hier wird bereits von den Kleinsten verlangt, stundenlang zu sitzen, zuzuhören, zu schreiben und alles nachzuplappern. Für Linus eine ganz neue Erfahrung.


Dazu kommt noch, dass er kein Wort versteht. Weder in Hindi noch in Englisch. Das macht ihn sehr unsicher. Doch nach ein paar Wochen wird alles immer wie normaler und er löst sich immer mehr von mir und macht erstaunlich gut mit.
Um 11.45 Uhr gibt es für die Kinder pro Klasse das Mittagessen. Alle sitzen zusammen in einer Reihe am Boden. Zuerst wird zusammen gebetet, danach wird gegessen. Natürlich mit der rechten Hand. Es gibt jeden Tag zum Mittag- und Abendessen Reis, Dahl und Gemüse. Da Finian kein Gemüse isst, gibt es für ihn nun seit Wochen zweimal pro Tag Reis und Dahl. Und Linus isst meistens nur Reis, da er den Dahl nicht gern hat und das Gemüse zu scharf für ihn ist. Wenn er Glück hat, fischt seine Lehrerin ein paar Kartoffeln aus dem Topf. So versuche ich, ihm nachmittags so viel Früchte wie möglich zu geben.
Nach dem Essen wäscht jedes Kind seinen eigenen Teller. Linus macht das leidenschaftlich gern!


Nach dem Essen wird bis 13.00 Uhr draussen gespielt. Dann beginnt wieder der Unterricht. Finian wechselt dann in den grösseren Kindergarten, weil dort der Englischunterricht für ihn passender ist. Linus ist am Nachmittag im kleineren Kindergarten und muss dort
noch mehr Schulstoff über sich ergehen lassen. Auch dort finde ich keine Aufgabe, da der Kindergartenunterricht reiner Schulunterricht ist. Es gibt keine Spielsequenzen und so beschliesse ich, dass ich mich um eine andere Nachmittagsarbeit bemühe.


Immer am Mittwochnachmittag wird der Unterricht vom grossen und kleinen Kindergarten zusammengelegt. An diesem Tag wird zusammen gespielt, Yoga geübt oder gezeichnet. So haben Finian und Linus einmal in der Woche zusammen Unterricht, was sie sehr geniessen.
Um 15.00 Uhr ist die Schule fertig und wir gehen zusammen in unser kleines Guest House, welches wir für drei Wochen mit Christin aus der Schweiz teilen. Sie ist eine sehr angenehme Mitbewohnerin und die Kinder haben sie sehr gerne.
Dann müssen die Kinder erst mal erzählen, was sie so alles erlebt haben, und bei einem Zvieri mit etwas Süssem kann man sich dann wieder gut erholen.
Meistens spielen die Kinder dann bis 18.00 Uhr draussen (dann wird es dunkel) mit den Kiran-Kindern oder den Hunden, hören auf dem Bett eine vertraute Schweizerdeutschkassette oder Finian malt wieder mal eines seiner tollen Bilder. Im Augenblick sind Kampfszenen zwischen indischen Göttern und Dämonen aktuell. Er hat aber auch wunderschöne Bilder von indischen Göttern oder behindeten Kindern gemalt.
Um 19.00 Uhr gehen die Kinder entweder ins Girls- oder ins Boys-Hostel spielen. Um 19.45 Uhr gibt es dann für uns in einem der Hostels das Nachtessen. Wieder Reis und Dahl mit Gemüse.
Wenn wir nachhause kommen, ist es mindestens 20.30 Uhr. Dann heisst es Pyjama anziehen, Zähne putzen und ab ins Bett. Meistens schlafen die Kinder noch während der ersten Kassettenseite ein. Nach ein paar Mails oder einem vergeblichen Telefonversuch via Skype in die Schweiz lege auch ich mich ins Bett neben meine Kinder (da wir den anderen Raum Christin überlassen haben) und versuche, im harten Bett eine bequeme Stellung zu finden.
Zu meinem Tag gehört die Arbeit im Kiran und für Finian und Linus da zu sein, viel zuzuhören (den vielen Kiran-Bewohnern und meinen Kindern), Räume zu wischen, Geschirr und Wäsche zu waschen, Material und Essen zu organisieren, zu verarzten, Entscheidungen zu treffen, umzuorganisieren und vieles, vieles mehr. Man braucht viel Zeit und Geduld. Der indische Weg ist nicht der schnellste, aber sehr herzlich. So falle auch ich jeden Abend erschöpft, aber zufrieden und dankbar ins Bett.

Montag, 21. Februar 2011

Mein Geburtstag in Varanasi


Weil ich Geburtstag habe, fahren wir am ersten Wochenende nach Varanasi. Finian und Linus sitzen das erste Mal auf einer Rikscha und geniessen die Fahrt (aber auch ein wenig mit einem schlechten Gewissen).


Als erstes machen wir eine Bootsfahrt auf dem Ganges und übergeben der Mutter Ganga (dem Fluss) Kerzen-Schiffli mit Blumen. Alle dürfen sich dabei etwas wünschen.


Beat, ein Freund, den ich seit elf Jahren kenne und der nun seit 20 Jahren am Assi-Ghat in Varanasi lebt, hat mit indischen Freunden und seiner Freundin Sibylle ein Picknick auf der anderen Seite des Ganges organisiert. Wir sitzen gemütlich zusammen im Sand und die Kinder sind sichtlich zufrieden.


Abends gehen wir zusammen mit Sibylle und Beat gut essen. Was für ein Geburtstag: Ich bin am Assi-Ghat mit guten Freunden und mit meiner Familie und geniesse jeden Moment!

Sonntag, 20. Februar 2011

Erste Tage im Kiran

Kashi – die Stadt des Lichts und die Stadt des Todes – heisst uns willkommen. Wir werden von einem Kiran-Auto vom Flughafen abgeholt und fahren ein paar Kilometer direkt hinter einem offenen Lieferwagen vollgepackt mit Indern und einer in orangefarbenem Tuch eingewickelten Leiche. Finian und Linus beobachten interessiert alles, was um sie herum passiert. Und das ist eine Menge. Die eineinhalbstündige Autofahrt durch überfüllte Strassen voller Gehupe, Tieren und Menschen macht uns recht müde und wir sind froh, als wir das ruhige im Grünen gelegene Kiran erreichen.
Wir werden von allen Seiten herzlich begrüsst. Die ersten Kinder kommen auf uns zu und Finian und Linus beginnen nach unserem Ein im schönen, kleinen Gesthaus bereist mit ein paar Kiran-Kindern zu spielen. Der Start könnte nicht besser sein!
 Am Abend essen wir alle zusammen mit der rechten Hand, am Boden sitzend, mit den kleineren Hostelmädchen die übliche Reis-Dahl-Gemüse-Mahlzeit. Dieses Essen wird uns nun jeden Tag zweimal (zum Mittag und zum Abend) gereicht. Nur das Gemüse wechselt leicht ab.
 In der ersten Kiran-Nacht klagt Linus über starke Bauchschmerzen. Mitten in der Nacht kommt er zu Dominik und mir ins Bett und muss dann gleich erbrechen. Ich versuche, das meiste mit der Hand aufzufangen und wecke Dominik damit er mir hilft. Er steht auf, um einen Kübel zu holen und muss gleich selbst alles erbrechen. In meiner Not stehe ich selber auf und erreiche gerade das Bad, als auch ich mich übergeben muss. Was für eine Nacht! Am nächsten Morgen fühle ich mich recht schwach und muss die ganzen Bettlaken von Hand im Kübel waschen. Ja, das Leben hier kann auch super anstrengend sein.



Wir starten nach ein paar Tagen mit der Einführung ins Schul- und Kindergartenleben für Finian und Linus. Schnell stellen wir fest, dass bereits in der Nursery (Spielgruppe) ein Stundenplan mit Lernzielen besteht. Da wir gleich mit Hindi-, Englisch-, Zahlen- und Alphabetstunden beginnen, wird mir rasch klar, dass ich wohl meine Spielgruppenphilosophie nur beschränkt einbringen kann. Aber nun heisst es erst einmal abwarten, beobachten und weitersehen.



Finian startet in der 2. Klasse und auch dort wird rasch klar, dass er dem Schulstoff nicht folgen kann. Im Rechnen werden Aufgaben wie 17 x 300 gestellt. So wechselt er am zweiten Tag in die erste Klasse und für den Englischunterricht in den 2. Kindergarten. Finian versucht sich sofort zu integrieren und macht alles super mit. Dominik und ich sind sehr stolz auf ihn!


Und ich bin auch stolz auf Dominik. Auch er wächst über sich hinaus!

Freitag, 11. Februar 2011

Das Abenteuer beginnt


Der Flug nach Delhi verläuft sehr gut. Da wir einen Nachtflug mit der Air India haben und das Flugzeug nicht ganz ausgebucht ist, dürfen Finian und Linus über je zwei Sitze liegen und schlafen. Dominik und ich staunen, dass Finian ohne Probleme die drei Sitze mit einem Inder teilt. Einmal liegt Finian auf dem freien Sitz in der Mitte, einmal sein indischer Nachbar. Die ersten ungewohnten Bilder beginnen ab der Autofahrt vom Flughafen zum Hotel Anoop in Delhi. Das bestellte Auto ist pünktlich da und wir steigen in ein kleines weisses Auto ein. Da nur zwei der Koffer im super kleinen Kofferraum Platz haben, befinden sich die anderen zwei auf unserem Rücksitz. So habe ich sowohl Finian wie auch Linus auf meinem Schoss. Nur Dominik und der Fahrer kleben nicht an der Scheibe. Bei der ersten Kreuzung ausserhab vom Flughafen müssen wir kurz anhalten. Ein kleiner Junge kommt sofort in seinen zerrissenen und dreckigen Kleidern an unser Fenster und hält direkt vor Finians Kopf die Hand hin. Er bettelt um Geld und Essen. Die Handbewegungen sind klar und sein Aussehen herzzerreissend. Finian sieht ihm entsetzt in die Augen. Er fragt mich ergriffen, warum wir nichts geben. Nachdem ich ihm erkärt habe, warum man bettelnden Kindern kein Geld geben sollte, findet er, dass er doch Taschengeld zugut hat und dieses gerne einem Kind in Not geben würde. Das war das erste direkte Erlebnis von Finian mit Armut. Auf dieser Fahrt hat er noch viele am Strassenrand lebende Inder in Dreck und Armut gesehen. Aber zum Glück auch Affen, Hunde, bunte Tempel und vieles mehr. Linus hat sich zu nichts geäussert. Mir kommt es vor, als würde er sich selbst schützen und alles um ihn herum ignorieren.


Nachdem wir uns im Hotel eingrichtet haben, geht es auf die Dachterrasse, auf welcher wir einen tollen Ausblick auf die indische Architektur und das Gewusel auf der Strasse haben. Dann geht es auf Erkundungstour auf den naheliegenden Stassen. Es wird gehupt, geklingelt und gebellt. Hier eine Rikscha, dort eine Kuh, Menschen, die uns neugierig anstarren und anlächeln. Gleichzeitig muss geschaut werden, dass man nicht in Pan-Spucke, Kuhfladen oder sonstigen Unrat tritt. Das ist Indien. Und als wir bei einem Stand mit wunderschönen Blumengirlanden für einen Tempel vorbeikommen, legt ein Inder Finian und Linus eine Blumengirlande um den Hals. Ich frage ihn, wieviel die Girlanden kosten. Er winkt mit einem breiten Lächeln ab und erklärt, dass das sein Geschenk ist. Finian kann es kaum glauben – da kommt jemand und schenkt ihm einfach eine Blumenkette. Was für ein Land!